Organisiert vom Fachgebiet Angewandte Linguistik am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der TU Darmstadt: Prof. Dr. Nina Janich, Dr. Lisa Rhein & Dr. Niklas Simon
Kontakt: mediendiskurse_2025@linglit.tu-darmstadt.de
Call for Papers: „Gut für uns und gut für den Planeten? Ökologische Diskurse aus inter- und transdisziplinärer Perspektive“
1972 bereits sprach der Club of Rome – ein Zusammenschluss von Expert:innen verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern, die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzen – in seinem ersten internationalen Bericht von den „Grenzen des Wachstums“ („The Limits to Growth“). 2022 nun wirbt er für eine Erde für alle („Earth for all“), indem er in einem „Survival Guide für unseren Planeten“ fünf große Kehrtwenden – unter anderem in Energiewirtschaft und Landwirtschaft/Ernährung – fordert, damit heutige und nachfolgende Generationen auf dieser Erde eine Zukunft haben. Seit 2015 gilt international die „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen: Von den dort festgeschriebenen 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals/SDGs) betreffen nicht überraschend sehr viele ökologische Aspekte wie „sauberes Wasser“ (Ziel 6), „bezahlbare und saubere Energie“ (Ziel 9), „nachhaltige/r Konsum und Produktion“ (Ziel 12), „Maßnahmen zum Klimaschutz“ (Ziel 13) und „Leben unter Wasser“ (Ziel 14) bzw. „Leben an Land“ (Ziel 15). Zum Handlungsfeld ist also längst nicht mehr nur die von der Forschung seit langem behandelte Klimakrise erklärt, sondern es geht um weitere globale Krisen wie Biodiversitätsverlust und Chemikalienverschmutzung, die die planetaren Grenzen (planetary boundaries) zu überschreiten drohen oder bereits überschritten haben.
Dies sind nur einige wenige Daten und Aspekte, die zeigen, welche wissenschaftlichen, politischen, ökonomischen und medialen Diskurse das Anthropozän, das ‚Zeitalter des Menschen‘, inzwischen notgedrungen prägen. Ökologische Diskurse umgeben uns demnach in vielfältigster Weise und betreffen uns ganz unterschiedlich (z. B. Schäfer 2022). Sie finden in allen Sektoren/ Handlungsfeldern statt, sind massenmedial aber sehr unterschiedlich präsent – vom omnipräsenten Klimawandel (siehe zusammenfassend z. B. Schäfer & Bonfadelli, 2017), über das zunehmend präsente Artensterben bis zur medial kaum sichtbaren Chemikaliensicherheit (z. B. Simon 2023). Sie begegnen uns in Form politischer Debatten, massiver zivilgesellschaftlicher Proteste, gemeinnütziger Initiativen oder auch in der Wissenschaftskommunikation. Dabei geht es auf allen Ebenen um Fragen wie: Wie ist in einer solchen Zeit noch ein ‚gutes Leben‘ möglich, und wie lassen sich notwendige Veränderungen sprachlich und medial transportieren oder gar motivieren? Wie verändert sich die öffentliche mediale, politische und wissenschaftliche Kommunikation im Spannungsfeld von freier Marktwirtschaft, bedrohter Umwelt und unsicherer Zukunft? Welche konkreten Argumente und Analysen, Positionen und Zukunftsbilder bieten die verschiedenen Medien, und wie konkurrieren hier unter anderem klassische (Qualitäts-)Medien und Social Media-Netzwerke? Wie verändert sich das Selbstverständnis des Journalismus in diesen gesellschaftlichen Diskursen, auch vor dem Hintergrund von Fake News und postfaktischer Kommunikation? Wie begegnen sich die Generationen mit ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen, Konsumgewohnheiten und Zukunftsentwürfen in den sozialen Medien oder laut massenmedialer Konstruktion?
In diesem Feld von Forschungsfragen können beispielsweise
- aus kritisch-diskursanalytischer Perspektive politische und wirtschaftliche Machtverhältnisse beleuchtet und kann nach dem Verhältnis von Sprache, Kommunikation, Medialisierung, Politisierung und Aktion gefragt werden;
- aus ökolinguistischer Perspektive nach Narrativen und Möglichkeiten eines Storytellings gesucht werden, das auf Gemeinschaftsbildung und intrinsische Motivation abzielt;
- aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive der Blick auf den Vergleich verschiedener Ansprachen, Formate und Einstellungseffekte von Qualitätsmedien bis Social Media gerichtet werden;
- aus politikwissenschaftlicher Perspektive die mediale Vermittlung zivilgesellschaftlicher Protestformen und Prozesse der Politisierung und Polarisierung untersucht werden;
- aus der Perspektive auf visuelle und multimodale Kommunikation postmoderne und postfaktische Diskursformationen anhand von Visualisierungen, Visiotypen und multimodalen Kommunikationsformaten untersucht werden;
- aus medienethischer Perspektive das journalistische Selbstverständnis im Spannungsfeld von Information und Aufklärung und der steigende Handlungsdruck in den Blick genommen werden;
- aus der Perspektive der Journalismusforschung der Sprachgebrauch von Journalist:innen und Themensetzungen der Berichterstattung untersucht werden;
- aus der Perspektive auf strategische Kommunikation in, von und über Organisationen und Institutionen Themen, Argumente und (Werbe-)Strategien im Bereich der Nachhaltigkeits-kommunikation thematisiert werden;
- aus einer praxisorientierten Perspektive konkrete Umsetzungen in Redaktionen oder Organisationen in den Blick genommen und reflektiert werden.
Die hier ausgeschriebene Tagung zu ökologischen Mediendiskursen im Anthropozän lädt demnach ein zum inter- und transdisziplinären Austausch über Fragen, die akute gesellschaftliche Problemlagen betreffen und deren Bearbeitung womöglich auch zu Lösungen beitragen könnte. Es sind Beiträge aus allen Disziplinen willkommen, die mit unterschiedlichen Methoden unterschiedliche Facetten des deutschsprachigen wie des globalen Umweltdiskurses in verschiedenen Medien beleuchten. Die Beiträge können sowohl stärker thematisch an konkreten Diskursen ausgerichtet sein als auch sich methodisch auf innovative Ansätze der Medien- und Diskursforschung fokussieren.
Zitierte Literatur
Schäfer, M.S., Bonfadelli, H. (2017). Umwelt- und Klimawandelkommunikation. In: Bonfadelli, H., Fähnrich, B., Lüthje, C., Milde, J., Rhomberg, M., Schäfer, M. (eds) Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12898-2_17
Schäfer, T. (2022). Transformation und Wiederverortung. Herausforderungen angesichts Klimanotstand und Artensterben. Communicatio Socialis (ComSoc) 55(2) 160-175. https://doi.org/10.5771/0010-3497-2022-2-160
Simon, N. (2023). Aufklären und Fordern in der Pestiziddebatte. Zu einer Textwelt-Rhetorik der Wissenskonstitution. Boston/Berlin, de Gruyter (Sprache und Wissen 55). https://doi.org/10.1515/9783111077369
Zeitplan:
- Einreichung der Abstracts bis 30.9.2024
- Review-Rückmeldungen bis 30.11.2024
- Programmpublikation und Anmeldung zur Tagung ab ca. 15.12.2024
Weitere Informationen zu Bewerbungen um Vortrag, Panel, Workshop oder Poster – siehe vollständigen Call for Papers
(wird in neuem Tab geöffnet) Call for Papers zum Download
ACHTUNG: Öffentliche Abendveranstaltung am 12. Februar 2025 in der Schader Stiftung:
Eine Krise ohne Namen.
Warum wir einen breiten Diskurs über Chemikalienpolitik brauchen.
Für die Europäische Kommission und die Vereinten Nation zählt die Chemikalienblastung der Umwelt zu den großen ökologischen Krisen unserer Zeit. Und doch ist sie den meisten kein Begriff. Ihr Ausmaß wird regelmäßig unterschätzt, obwohl sie ihre planetare Grenze bereits überschritten hat. Sie treibt Klimakrise und Artensterben voran – ohne dabei sichtbar zu werden. Woran liegt es, dass wir kaum über die Umweltbelastung mit Chemikalien sprechen? Wie können wir in Wissenschaft, Medien, Politik und Gesellschaft besser über die Gefahren schädlicher Chemikalien ins Gespräch kommen?
Peter Hanisch und Dr. Jens Martin König vom Hessischen Umweltministerium berichten aus ihrer chemikalienpolitischen Arbeit und diskutieren mit Korinna Hennig (NDR), Dr. Johanna Kramm (ISOE), Prof. Dr. Dr. h.c. Henner Hollert (Goethe University Frankfurt) und mit Ihnen – gemeinsam geben wir der Krise einen Namen!
Es folgen weitere Informationen zu Programm, Anreise und Abstracts.