am 4.-6.10.2018 im Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus in Darmstadt.
Wissenschaftliche Zielsetzung / Call for Papers als PDF
Vortragsangebote (max. 2 Seiten) werden bis 1.4.2018 erbeten an
silvan.wagner(at)gmx.de.
Gefördert von der Fritz-Thyssen-Stiftung
Im Rahmen der Tagung ‚Prägnantes Erzählen‘ soll die Gesellschaft ‚Brevitas‘ gegründet werden:
Im 20. Jahrhundert stand die mittelalterliche Kleinepik lange Zeit im Schatten der großen, ‚klassischen‘ Forschungsbereiche der älteren deutschen Literaturwissenschaft wie Großepik und MinneÂsang. Bereits seit einiger Zeit zeichnen sich hier gravierende Veränderungen ab: Nicht nur entstanden und entstehen signifikant mehr Qualifikationsarbeiten zur Kleinepik, sondern die Forschung nimmt die kurzen und prägnanten Texte des Mittelalters auch auf einer breiÂteren Basis und jenseits von Spezialforschung zur Kenntnis, veranstaltet Tagungen zur KleinÂÂepik und hat sie in der universitären Lehre fest etabliert. Kleinepik darf damit im 21. JahrÂhundert als bestens etabliertes Forschungsfeld gelten.
Nichtsdestoweniger wirkt die problematische Forschungsgeschichte außerhalb der mittÂlerÂweile vielfältigen Spezialforschung immer noch nach: Das Korpus regelmäßig beforschÂter Kleinepik ist vergleichsweise schmal, so dass mitunter große blinde Flecken existieren; die Gattungsdiskussion des 20. Jahrhunderts wirkt in der künstlichen Trennung von TextÂgrupÂpen nach, die in Überlieferung, Inhalt und Form eng miteinander verbunden sind; und mitunter scheint sich immer noch ein impliziter Unterkomplexitätsverdacht aus der ForÂschungsÂgeschichte zu speisen, der Textlänge als tendenziell analog zu einer zugemuteten TextÂkomplexität versteht. Die aktuelle Forschung hat aber an unterschiedlichen TextÂgrupÂpen erwiesen, dass die vormoderne Kleinepik regelmäßig hochkomplex strukturiert ist, keiÂnesÂÂwegs als literaturgeschichtlich randständig anzusehen ist und einen hochÂinteressanten ForÂschungsgegenstand bietet, den es über weite Strecken noch interpretativ zu erschlieÂßen gilt.
Um dem aktuellen Forschungstrend zur Kleinepik Nachhaltigkeit zu verleihen und den bleiÂbenÂden Problemen wirkmächtig zu begegnen, erscheint die Gründung einer wissenÂschaftÂliÂchen Gesellschaft als opportun. Der Begriff Kleinepik ist freilich problematisch, da in ihm viele fragwürdige Differenzierungen mitschwingen, die sich auf bereits überholte Forschungspositionen stützen. Es ist nicht zuletzt die Aufgabe einer wissenschaftlichen Gesellschaft, diese überkommenen Bestimmungen kritisch zu hinterfragen, aufzubrechen und den Begriff der Kleinepik gegenstandsgerechter zu bestimmen. Entsprechend verwenden wir den Begriff Kleinepik heuristisch und in einem weiten Sinne als Dachbezeichnung vormoderner Texte, die sich durch Kürze, einem prägnanten Erzähl- oder auch Rededuktus und der Möglichkeit einer Gesamtrezeption am Stück (etwa einer einzelnen Aufführung, eines einzelnen Leseaktes) auszeichnen. Viele dieser Texte sind inhaltlich im Spannungsfeld zwischen schimpf und ernst angesiedelt. Kleinepik subsumiert in einem weiten Verständnis entsprechend divergente Textgruppen wie Mären, Bispeln, Schwänke, Wundererzählungen, Legenden, aber auch Minnereden, Rätsel, Streitgespräch, Sprichwörter etc. Die Gesellschaft will Kleinepik in ihrem historischen Überlieferungskontext in den Blick nehmen, so dass künstliche Grenzziehungen gattungstheoretischer, literaturhistorischer und inhaltlicher Art (etwa geistlich/weltlich, mittelalterlich/frühneuzeitlich, narrativ/diskursiv) überwunden werden können. Dieses weite Begriffsverständnis v.a. des Terminus ‚Epik‘ soll nicht zuletzt auch die Anschlussfähigkeit der Gesellschaft gegenüber der Forschung zu neuerer und älterer Literatur gewährleisten.
Aufbauend auf ein solches Begriffsverständnis kann – analog zu den bestehenden Gesellschaften zur Großepik wie Wolfram- und Artusgesellschaft – eine kontinuierliche Forschungsarbeit zur Kleinepik etabliert werden, die sich vornehmlich auf folgende Punkte stützt:
Patrizia Barton (Tübingen), Friedrich Michael Dimpel (Erlangen / Darmstadt),
Lydia Merten (Köln), Mareike von Müller (Göttingen), Nina Nowakowski (Zürich),
Silvan Wagner (Bayreuth)
Donnerstag, 4.10. 2018
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14:00 | Ankunft und Kaffeepause |
14:15 | Thomas Weitin: Grußwort und Eröffnung |
14:25 | Friedrich Michael Dimpel: Begrüßung |
| Prägnanz als Kreißen mit Sinn |
14:30 | Michael Waltenberger (Keynote): Bedeutungsschwangerschaften: Zerstreute Anmerkungen über die Struktur narrativer Pointierungen |
15:30 | Silvan Wagner: Keimzellen für moralischen Sinn: Prägnantes Erzählen in Johannes Paulis Schimpf und Ernst |
16:15 | Kaffeepause |
| Prägnanz und Textkombination |
16:45 | Margit Dahm-Kruse: Prägnante Kombinatorik in der Überlieferung – zum poetologischen Potential des Textarrangements in kleinepischen Sammelhandschriften |
17:30 | Michael Schwarzbach-Dobson: Lob der Kürze: Zur theoretischen Verortung mittelalterlicher Kurzerzählungen zwischen Aristoteles und Cassirer. Mit einer Beispielanalyse der Fabel ‚Befreite Schlange, Mann und Fuchs‘ (AaTh 155) |
18:15 | Anna Brasch: „[D]aß wir […] kein einziges Wörtlein vergeblich einzurücken / umb dem Leser durch einen eytlen Wörter-Pracht nicht einen Eckel zu veruhrsachen“ Zur Profilierung ‚curieusen‘ gegenüber ‚galanten‘ Erzählens im Sammelschrifttum der Frühen Neuzeit [1650 – 1730] |
19:00 | Gemeinsames Abendessen |
Freitag, 5.10. 2018
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| Prägnanz und das Heilige |
9:00 | Hans Jürgen Scheuer: Das Martiniloben. Zur Prägnanz der Heiligenvita beim Stricker und bei Boccaccio |
9:45 | Daniel Eder: Prägnanz und Heiligkeit. Narratologische und rezeptionshermeneutische Überlegungen zur Legendarik (am Beispiel der Gangolf-Erzähltradition) |
10:30 | Kaffeepause |
| Prägnante Baustrukturen |
11:00 | Nina Nowakowski: Personelle Prägnanz. Zur szenischen Zweiheit als Prinzip kleiner Reimpaardichtungen |
11:45 | Rebekka Nöcker: Kriterien der Prägnanz von Sprichwort und Sentenz |
12:30 | Mittagspause – Buffet im Lichtenberg-Haus |
| Prägnanz und Sinnerzeugung |
14:00 | Harald Haferland: Wahrscheinlichkeit im Märe |
14:45 | Anna Mühlherr: Prägnanz der Dinge: Die Nüsse und der Entlaufene Hasenbraten |
15:30 | Kaffeepause |
16:00 | Gründungsversammlung der Gesellschaft für Kleinepik des Mittelalters ‚Brevitas‘. Diskussion zu Perspektiven und zum Arbeitsprogramm, Gründungsbeschluss, Satzungsbeschluss, Vorstandswahl, Beiratswahl |
19:30 | Gemeinsames Abendessen |
Samstag, 6.10. 2018
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Dichtes Erzählen | |
9:00 | Stefan Abel: Prozesse narrativer Verdichtung in Alexanders von Roes ›Pavo‹ und in den Ausformungen des Stoffes vom ,schlafenden Ritter‘: Le chevalier qui recovra l’amor de sa dame ‹ und Moriz von Craûn |
09:45 | Mareike von Müller: Narrativität und Prägnanz des Märe |
10:30 | Kaffeepause |
11:00 | Marie-Luise Musiol: Räumliche Verdichtungen. Transgressive Effekte prägnanten Erzählens |
11:45 | Mittagspause – Buffet im Lichtenberg-Haus |
13:15 | Friedrich Michael Dimpel / Martin Hammer: Prägnanz und Polyvalenz – Rezeptionsangebote im ‚Klugen Knecht‘ und im ‚Schneekind‘ |
14:00 | Abschlussdiskussion |
14:20 | Abschiedsworte: Andrea Rapp |
14:30 | Kaffee und Ausklang |
Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft
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